„Claim Management ist fehlgeschlagenes Contract Management“.

Unser Kommentar zu den Thesen des Bloggers Thilo Niewöhner.

 

21.06.2016. In seinem Blog „Thilographie“ stellt Thilo Niewöhner die These auf, dass Claim Management fehlgeschlagenes Contract Management sei. Diese These wird aufgestellt unter der Überschrift „Überholte Konzepte“ im gleichnamigen Blogpost. Wir fragen uns warum Claim Management ein überholtes Konzept sein soll? Antworten auf unsere Fragen gibt dieser Kommentar.

 

Unter anderem führt Thilo Niewöhner in seinem Blog an, dass der Begriff „Claim“ nach seiner Erfahrung negativ konnotiert sei. Negativ konnotiert wahrscheinlich deshalb, weil „einen Claim stellen“ bedeutet, dass eine Vertragspartei von einer anderen Vertragspartei etwas haben möchte, was die jeweils andere Partei vermutlich nicht herausgeben möchte: Geld oder verlängerte Bauzeit. Bei Geld hört ja bekanntlich die Freundschaft auf.

 

Wenn Auftraggeber und Auftragnehmer einen Vertrag über die Konstruktion, Fertigung, Montage und Inbetriebnahme einer Anlage schließen, so geben sie sich wechselseitig ein Versprechen. Ein Versprechen, dessen Belastbarkeit in der rauen Realität des Projektalltages bewiesen werden muss. Rau ist diese Realität deshalb, weil dem geplanten, im Vertrag abgebildeten, Projektverlauf, die technischen, organisatorischen und infrastrukturellen Unwägbarkeiten in den Unternehmen der Vertragsparteien und auf der Baustelle entgegenstehen. Erfahrene Auftragnehmer und genauso erfahrene Auftraggeber  wissen um diese Unwägbarkeiten und deren Konsequenzen für das gemeinsame Projekt. Weise agierende Auftragnehmer und Auftraggeber bilden deshalb im Projektvertrag Instrumente ab, die es erlauben sachgerecht und möglichst reibungsarm mit Ablaufstörungen, Abweichungen, Änderungen und deren Konsequenzen umzugehen. Kurz gesagt: Wird vom wechselseitigen Versprechen abgewichen, so muss diejenige Vertragspartei, die negative Konsequenzen aus der Abweichung erfährt, eine Kompensation erhalten. Hierfür ist es notwendig eindeutige und faire Klauseln zur Anmeldung, Begründung und Bewertung von Ablaufstörungen im Projektverlauf, von Mehrungen und Minderungen des wechselseitig geschuldeten Leistungssolls im Vertrag vorzusehen. Passende Überschriften hierfür wären „Variation Order Procedure“, „Notification Requirements“, „Early Warning Obligation” und “Mutual Claims of the Parties”. Welche Inhalte unter diesen Überschriften stehen, das entscheidet der Typ und die Anforderungen des Projektes. Nur eins sollte klar sein: Fairness und Ausgewogenheit sind oberste Gebote.

 

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“; das wusste schon Friedrich Schiller (1759 bis 1805), ein deutscher Dichter und Dramatiker. Ein wenig klingt dieses Zitat danach, als hätte schon Friedrich Schiller vor mehr als 200 Jahren gewusst, dass es auch in Projekten Unfrieden zwischen den Vertragsparteien in einem Projekt geben kann; so wenig diese Parteien zum Zeitpunkt der Unterschrift des Projektvertrages solch einen Unfrieden beabsichtigten oder mögliche Ursachen hierfür vorhersehen konnten. „Pessimisten sind Optimisten mit mehr Erfahrung“ oder auch „Auch Paranoiker haben Feinde“ sind Zitate, wenn auch etwas „schräge“, die in diesen Sinnzusammenhang passen. Erfahrene und kluge Vertragsparteien sehen im Projektvertrag ebenfalls Instrumente vor, die den Umgang mit strittigen Punkten im Projekt schnell und kostengünstig zu klären helfen. Dies sind z.B. leistungsfähige Dispute-Regelungen, wie sie unter anderem z.B. das FIDIC-Silver-Book anbietet. Andauernder Streit zwischen den Vertragsparteien schadet nicht nur dem, oftmals sich in einer schwächeren Position befindenden, Auftragnehmer, sondern in erster Linie dem Projekt insgesamt und damit beiden Vertragsparteien.

 

Fazit

 

Fazit hieraus ist für uns, zurückkehrend zu Thilo Niewöhners Aussage „Überholte Konzepte: Claim Management“, dass Claim Management alles andere als ein überholtes Konzept ist. Claim Management bedeutet sachgerecht, fair und im Sinne des Projektes mit den Unwägbarkeiten des Projektalltages und mit Unschärfen des Leistungssolls umzugehen. Auf den Punkt gebracht bedeutet dies, Claim Management ist idealerweise ein vertragliches, organisatorisches und prozedurales Instrument zur wechselseitigen Vertragserfüllung durch beide Parteien.  Daraus folgt auch, dass wir Thilo Niewöhners These "Claim Management ist fehlgeschlagenes Contract Management" nicht zustimmen können. Claim Management ist unserer Ansicht nach die Nische im Contract Management, die es erlaubt situationsgerecht und vertragskonform mit den Überraschungen des Alltages im Projekt umzugehen und dies idealerweise fair und ausgewogen.  

 

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