COVID-19: Claims in Projekten erfolgreich behandeln

Corona-Krise: Force Majeure oder nicht? Die richtige Vorgehensweise zur Behandlung von Leistungsstörungen im Projekt wählen. Quelle: istockphoto.com. Bild: Steps with Two Choices. Urheber:gustavofrazao
 

20.04.2020. Liegen mit der COVID-19-Pandemie ein Fall von höherer Gewalt oder "einfach" geänderte Rahmenbedingungen als Ursache für gestörte Projekte vor?


Die COVID-19-Pandemie ist ein Ereignis globaler Prägung. Global aufgrund ihres Auftretens und global in der Wechselwirkung ihrer Konsequenzen für das soziale und ökonomische Zusammenleben der Menschen.

 

Ein Ereignis solch globaler Prägung gab es lange nicht. Es ist somit ein Leichtes, der COVID-Pandemie den Charakter der höheren Gewalt ("Force Majeure") zuzuschreiben und als Projektleiter die Seiten des Projektvertrages aufzuschlagen, auf denen es um die Behandlung der Konsequenzen von Ereignissen der Höheren Gewalt geht.

 

Schnell wähnt man sich nach der Lektüre dieser Force-Majeure-Klauseln auf der sicheren Seite wenn man diesen buchstabengetreu folgt und den Vertragspartner im Projekt darüber informiert, dass dieses von einem Ereignis der höheren Gewalt betroffen ist und man daher vorsorglich Kompensationsansprüche für erlittene Störungen anmeldet. Aber ist man damit wirklich auf der sicheren Seite?

 

Ist die Pandemie das auslösende Ereignis oder sind es die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie?

Die wenigsten Projekte dürften durch die Pandemie selbst in ihrem geplanten Ablauf gestört sein. Solche Störungen wären zum Beispiel erkranktes oder verstorbenes eigenes Projektpersonal oder ebensolches bei Kontraktoren und Lieferanten innerhalb des Projektes.

 

Dies ist nach unserem Kenntnisstand aktuell in den meisten Fällen nicht so. Was jedoch den Ablauf von Projekten aktuell stört, sind die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, wie zum Beispiel Kontaktverbote und unterbrochene Lieferketten. Aber ist dies nicht gleichzusetzen mit der Pandemie und greifen damit nicht die Mechanismen der Force-Majeure-Klauseln in den jeweiligen Projektverträgen? Wir meinen nicht.

 

Force-Majeure-Klauseln legen in den meisten Fällen fest, dass der Vertragspartei in einem Projekt, die unter einem Ereignis der höheren Gewalt leidet, unter Umständen ein Bauzeitverlängerungsanspruch zugestanden wird, aber keine Kompensation für durch das Ereignis der höheren Gewalt entstandenen Mehrkosten. Die Festlegungen hierzu trifft im Einzelfall der Projektvertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sowie die jeweils anwendbare Rechtsordnung.

 

Es ist daher ratsam, Projektverträge individuell dahingehend in einem ersten Schritt zu prüfen, welche in Zusammenhang mit der Pandemie entstandenen kompensationsfähigen Ereignisse, die Störungen hervorrufen ("Trigger Events") der Projektvertrag definiert und welche Kompensationsrechte für Störungen/ Erschwernisse demjenigen zustehen, der diese im Projektverlauf erlitten hat.

 

"Ist denn nicht alles irgendwie Corona?"

Ineffizienzen in der Projektarbeit. Berechtigte Claims wegen angeordneter Arbeit des Engineering-Bereichs im Home-Office. Quelle: istockphoto.com, Urheber: Kerkez, Bild: Man in blue shirt writing notes and holding smart phone at home office

 

Natürlich ist die Ursache der meisten Trigger Events die COVID-19-Pandemie. Aber entscheidend für den Erfolg einer Anspruchsargumentation ist, welches der Pandemie folgende Trigger Event (z.B. Materialknappheit, geschlossene Landesgrenze oder erhöhte Gesundheitsschutzauflagen) gewählt wird, um eigene Mehraufwände beim Auftraggeber zur Kompensation anzumelden.

 

In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, welche Kompensationsarten und Kompensationsumfänge für die einzelnen Trigger Events im Projektvertrag festgelegt wurden.

 

Kurz gesagt: Geht es um mehr Geld oder mehr Zeit oder mehr Geld und Zeit? Und in welchem Umfang? Gibt es Kappungsgrenzen für Kompensationen? Auch diese Kappungsgrenzen müssen in die Wahl der Anspruchsargumentation miteinbezogen werden, um die Durchsetzung berechtigter Kompensationsansprüche nicht der Höhe nach zu limitieren. 

 

Folgende Trigger Events sind denkbar und sollten auf Anwendbarkeit im einzelnen Projekt geprüft werden:

 

  • Reiseverbote
  • Kontaktverbote
  • Ausgangssperren
  • Betriebsschließungen
  • Schließungen von Baustellen
  • Materialknappheit
  • geschlossene Landesgrenzen (für Güterverkehr/ für Personenverkehr)
  • geänderte Gesetzeslagen
  • angeordnete Projektunterbrechungen
  • geänderte Sicherheits- und Gesundheitsschutzauflagen
  • ...

Nichts Neues: Dokumentation, Dokumentation und Dokumentation sind im Claim Management auch in Zeiten der COVID-19-Pandemie die drei wichtigsten Worte.

Wie stets im Claim Management, müssen die Ursachen und Auswirkungen der COVID-19-Pandemie folgenden Trigger Events auf das Projekt in einem Claim-Anmelde-Dokument prüffähig dargestellt werden. Storytelling ist hier angezeigt. Die Geschichte der Störung im Projekt muss verständlich geschrieben und mit Beweisen hinterlegt werden. Hierzu müssen vom Anspruchssteller geeignete Beweise für die einzelnen Ursachen und Auswirkungen der Störungen auf das Projekt beigefügt werden. 

 

Fazit: Die COVID-19-Pandemie führt zu multikausal gestörten Projekten, deren Störungen individuell betrachtet werden müssen

Es ist nicht sinnvoll global die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Projekte als singuläres Ereignis Höherer Gewalt darzustellen, welches ein Projekt "so richtig in die Bredouille geritten hat". Dem ist nicht so.

 

Die Ursachen der Bredouille, in der ein Projekt wegen COVID-19 gerade stecken mag, sind vom Anspruchsteller im Einzelfall individuell zu benennen und zu belegen, genauso wie deren Auswirkungen auf das Projekt.

 

In einem Projekt eines Unternehmens sind die fehlenden Teile des italienischen Aggregatherstellers als Ursache für Verzüge heranzuziehen, im anderen Projekt sind es die wegen angeordneter Home-Office-Tätigkeit der Engineering-Bereiche entstandenen Ineeffizienzen. Auswirkungen unterschiedlicher Ursachen für Störungen können miteinander konkurrieren ("concurrent delays"), in Folge muss ermittelt werden, welches Trigger Event für den Einzelfall die führende Rolle in einer Anspruchsargumentation in Bezug auf einen Bauzeitverlängerungsanspruch übernehmen soll.

 

Entstandene/ entstehende Mehrkosten wegen Ineffizienzen sollten separat von den Bauzeitverlängerungsansprüchen behandelt werden und bedürfen einer Qualifizierung/ Quantifizierung mit geeigneten Methoden (Im angelsächsischem Raum z.B. nach der Measured-Mile-Methode.

 

"Corona ist schuld, dass unser Projekt zu spät ist" funktioniert nicht. Die aktuellen, covid-19-induzierten Verzögerungen in CAPEX-Projekten sind multikausal und bedürfen im ersten Schritt einer individuellen Bewertung und erst dann einer Einbettung in den Gesamtkontext eines störungsmodifizierten Bauzeitenplanes. Dieser sollte dann ebenfalls enthalten, was Sie unternommen haben, um die Auswirkungen der Trigger Events in Ihrem Projekt zu mindern.

 

Gerne stehen wir Ihnen zur Bewältigung der Konsequenzen der Corona-Krise zur Seite. Sprichwörtlich gesagt: „Wir sind alle an Deck“ und vollumfänglich arbeitsfähig. Wenn Sie jetzt Unterstützung benötigen zur Wahrung Ihrer Interessen mit massiv gestörten Projekten so senden Sie uns bitte eine Mail an: 

 

corona-services (at) 1155pm.de

 

Wir setzen uns daraufhin schnellstmöglich mit Ihnen in Verbindung.


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